Die vielen Facetten des Götz von Berlichingen

Kindheit, Jugend und Lehrjahre

1480 wird Gottfried, genannt Götz von Berlichingen, im gleichnamigen Ort Berlichingen, im hülzern Sitzlein, nahe Jagsthausen geboren. Götz wird nach seinem Großvater benannt. Er ist der jüngste Sohn von zehn Kindern des Ritters Kilian von Berlichingen und der Margarethe, geborene von Thüngen. Das bis ins 12. Jahrhundert reichende Rittergeschlecht der von Berlichingen ist reich an Besitz. Es sind traditionsbewusste, ehrenhafte und ökonomisch denkende sowie der heraufziehenden Neuzeit gegenüber aufgeschlossene Menschen. Mütterlicherseits ist bekannt, dass die von Thüngen eher risikofreudige und draufgängerische Leute sind, die sich gern an Fehden beteiligen.

So wundert es nicht, dass Götz schon früh seine Neigung zum Kriegs- und Rittersmann erkennen lässt, dafür aber nur ein Jahr für die Schule in Niedernhall an der Kocher erübrigt. Mit 14 Jahren wird er Knappe bei seinem Vetter Konrad von Berlichingen. Ihn darf er 1495 zum Wormser Reichstag und 1497 zum Reichstag zu Lindau begleiten. Kurz darauf, an Fastnacht 1497, stirbt Konrad und ein Jahr später auch Kilian, sein Vater. Damit ist die Zeit seiner behüteten Kindheit vorbei.

Fehden-Ritter Götz und sein Markenzeichen, die eiserne Hand

Die Fehde und das mit ihr verbundene Beutewesen dient vielen Rittern vor allem im ausgehenden Mittelalter als Lebensunterhalt. Zwischen 1508 und 1519 macht Götz Krieg auf eigene Rechnung und ist fast an einem Dutzend Fehden und Händel beteilgt. Dabei geht es hauptsächlich um Eigentumsrechte, ausstehende Zahlungen oder Erbstreitigkeiten. Der von den Geschädigten beauftragte Fehden-Ritter Götz agierte damals ähnlich wie ein Inkassounternehmen heute. Bei seiner Fehdenpraxis beruft sich Götz auf „Altes Recht des Ritterstandes“: Zuerst wird gedroht, blieb dies erfolglos, kommt es zu kriegerischen Handlungen, Beutemachen, Geiselnahme, Brandschatzungen bis hin zum Verlust von Leib und Leben.

Aber zuerst lernt der junge Götz sein Fehden-Handwerk bei Hans Thalacker von Massenbach, dem damals wohl gefürchtesten Raubritter. Mit ihm liegt er im Unterholz, überfällt und raubt was nicht niet und nagelfest. Götz kann zwei Jahre lang im Kleinen üben, was er später selbst im großen Stil praktiziert.

Sein Onkel Neithardt lockt ihn 1497 aus der „schlechten Gesellschaft“ Thalackers. Götz geht als bezahlter Ritter, heute würde man ihn als Söldner bezeichnen, an den Hof des Markgrafen Friedrichs V. von Brandenburg-Ansbach. Von 1499 bis einschließlich zum Bayrischen Erbfolgekrieg 1504 vor Landshut nimmt er sehr erfolgreich an neun kriegerischen Auseinandersetzungen teil und erwirbt sich die Anerkennung der Ritterschaft.

Der Kriegsmann bekommt die heraufziehende Neuzeit am eigenen Leib zu spüren. Kleine Feldgeschütze kommen in Mode. Und als er, 24-jährig, am 25. Juli 1504 vor Landshut mit seinen Mannen scharmützelt, trifft ihn das Geschoss einer Feldschlange (Kanone mit kleinem Geschoss), das versehentlich von den eigenen Verbündeten abgeschossen wird. Seine rechte Hand wird fast abgerissen, er wird sie verlieren. Schwer verletzt auf seinem Schlachtross sitzend, hat er mit Allgemach sein Ross umbgelenkt und ungefangen geschafft, das Schlachtfeld zu verlassen. Mit diesem unvorstellbaren Verlust liegt der junge Ritter krank bis 1505 darnieder. Ein Ritter ohne rechte Hand, die das Schwert führt – er glaubt sich seinem ritterlichen Ende nahe!

Aber der Schmied in Jagsthausen fertigt ihm 1504 eine eiserne Hand an, erst eine einfache, später bekommt Götz eine komplizierte aus der Nürnberger Waffenschmiede, deren Fingerglieder sich bewegen lassen – eine Meisterleistung dieser Zeit. Mit ihr kann er die Zügel seines Pferdes halten und was noch wichtiger ist, auch das Schwert wieder wie ein Kriegsmann führen.

Zwischen 1508 und 1519 ist die Zeit der großen Fehden gegen Köln, Nürnberg, Mainz, Bamberg und gegen den Schwäbischen Bund. Die eiserne Hand wird zu Götz‘ Markenzeichen. 1512, während der Fehde gegen Nürnberg, nimmt er an einem Überfall gegen Nürnberger Kaufleute teil. Dafür wird der Haudegen von Kaiser Maximilian wegen Rauf- und Raubhandel in Reichsacht genommen. Denn eigentlich sind Fehden seit dem 1495 ausgerufenen „Ewigen Landfrieden“ illegal, aber Götz setzt sein Recht weiterhin mit Faust und Schwert durch.

Insgesamt wird gegen den Raubritter vier Mal die Reichsacht verhängt, vier Mal wird sie von Kaiser Maximilian bzw. Kaiser Karl V. höchst persönlich wieder aufgehoben. Größtenteils sitzt Götz die Acht als Hausarrest auf seiner Burg Hornberg und gegen Leistung einer Urfehde (Auflagenliste) ab. Er muss Schwert und Rüstung ausziehen, darf kein Pferd besteigen und sein Burg-Territorium nicht mehr verlassen. Über zehn Jahre verbringt er so in Acht auf dem Hornberg.

1515 kommt es gegen Mainz zu Übergriffen und Brandschatzungen. In Krautheim will Götz dem kurmainzischen Amtsmann, Marx Stumpf von Schweinberg, eine Abreibung verpassen und steckt dessen Schafstall unterhalb der Burg an. Da streckt der Erzfeind seinen Kopf aus dem Fenster und brüllt Götz an. Der daraufhin seine berühmten Worte ausspricht: Er solle ihn hinten lecken!

Götz der Unternehmer und seine Traumburg Hornberg

Der Historiker und Götz-Kenner, Professor Kurt Andermann, bescheinigt Berlichingen eine hinreichend breite wirtschaftliche Basis. Zu keiner Zeit sei er ein Habenichts gewesen. Götz erbt wie seine Brüder einen beträchtlichen Nachlass. Später vermehrt er seinen Reichtum durch geschickte Entscheidungen, wie zum Beispiel die Heirat mit Dorothea Gailing, die 700 Gulden Mitgift in die Ehe bringt. Nach einem Tausch unter Brüdern verfügt Götz auch über Ländereien (Gerechtsame) in Jagsthausen, Rossach, Berlichingen, Neunstetten, Sennfeld und vielen anderen Orten um Jagst und Kocher.

Auch mit den meisten seiner Fehden bereichert er sich. Er handelt folglich nicht aus wirtschaftlicher Not, wenn er Kaufleute überfällt, sondern vor allem als Verfechter des alten Rechts und natürlich aus Rauflust!  So soll er Burg und Herrschaft Hornberg aus dem Lösegeld für den gekidnappten Grafen von Waldeck finanziert haben. Götz erwirbt 1516 für 6500 Gulden von Kunz Schott die Anlage. Schon in seiner Jugend lernt Berlichingen die stolze Veste auf einer Reise mit seinem Onkel Neidhart von Thüngen kennen und begeistert sich für die Festung. Von den bevorzugten Steillagen am Hornberg soll er besonders geschwärmt haben. Die Weinanbaufläche wird Götz um mindestens ein Drittel erweitern und die Terrassierung vorantreiben. Außerdem unterstreicht er mit dem Erwerb des Stockbronner Hofs seine Ambitionen als Landwirt. Ab sofort führt er auch den Zusatz „von Berlichingen zu Hornberg“ und bekräftigt seine Unterschrift mit dem Siegelring. Dieser ist auf dem Foto abgebildet, der sich im Besitz der Burgfamilie Dajo von Gemmingen-Hornberg befindet.

Dass Götz von Berlichingen sich vor allem in späteren Jahren als Kreditgeber und Finanzmakler ausgibt, gilt als sicher. Mit nüchternem Kalkül leiht er Fürsten, Grafen und adligen Standesgenossen oder sogar Städten Geld. Folglich ist Götz nicht nur begütert, sondern auch reich und ein respektierter Geschäftsmann in weiten Kreisen obendrein!

Das turbulenteste Kapitel: Bauernführer wider Willen

Seit 1524 tobt der Bauernkrieg und 1525 zwingen die aufständigen Bauern im Neckarraum den kriegserfahrenen Götz, das Amt des Hauptmanns zu übernehmen und sie anzuführen. Nach langem Hin und Her willigt Götz mehr zum Schein ein, um Schlimmeres zu verhindern. Denn die aufgebrachte und marodierende Horde hatte bereits die ganze kaiserliche Besatzung und den Grafen Helfreich von Helfenstein von dessen Burg Weinsberg vertrieben und auf entsetzliche Weise ermordet. Sollte ihm das Gleiche widerfahren, wenn er das Amt ablehnte?

So zieht Götz von Berlichingen mit seinem Haufen vor Buchen im Odenwald. Dort scheitern seine Friedensverhandlungen zwischen der Bauernschaft und dem Adel. Es kommt zum Eklat mit den Bauern. Götz muss um sein Leben fürchten und flieht auf seine Burg.

1526, nach Ende des Bauernkrieges, muss sich Götz trotz seines ehrlich gemeinten Vermittlungsversuchs vor dem Rat des Schwäbischen Bundes rechtfertigen. Er wird von 1528 bis 1530 in Augsburg gefangen genommen. Nur gegen Unterzeichnung einer Urfehde kommt er frei und muss in Hausarrest auf seine Burg Hornberg. Erst nach zehn Jahren, 1541, wird die Reichsacht durch Kaiser Karl V. aufgehoben, weil er Götzens Kriegserfahrungen für den Türkenkrieg benötigt. So zieht der betagte Ritter im Alter von 62 Jahren abermals in den Krieg, dieses Mal gegen Sultan Süleyman I (der Prächtige).

Götz privat

Bei aller Rauflust wird dem Reichsritter ein gewisser Charme nachgesagt. Götz ist außerdem ein treu sorgender Hausvater und Ehemann. Nach der Familienchronik heiratet er zwei Mal. Um 1505 ehelicht er Dorothea von Sachsenheim. Über diese Ehe bzw. über das Ableben von Dorothea von Sachsenheim gibt es keine verlässlichen Quellen.

1518, kurz nach dem Erwerb der Burg Hornberg, geht Götz ein zweites Mal die Ehe ein. Er heiratet Dorotha Gailing von Illesheim. Mit ihr hat er fünf Kinder, drei Töchter und zwei Söhne, Hans Jakob und der jüngere Götz, der aber noch vor seinem Vater stirbt. Dorothea Gailing ist von 1517 bis ca. 1530 die Frau, die hinter dem Fehden-Ritter steht. Mit ihr hat er eine sehr tüchtige und verlässliche Partnerin gefunden. Als er 1519 in Heilbronn für drei Jahre und fünf Monate in Gefangenschaft gerät, begleiten Frau und Kind ihn während seiner Acht im Heilbronner Wirtshaus. Um 1530, als er wieder mit Hausarrest auf seiner Burg belegt ist, stirbt Dorothea Gailing. Anschließend pflegt Götz eheähnliche Beziehungen zu zwei Mägden. Die drei aus diesen Verbindungen hervorgegangenen Töchter werden in seinem Testament von 1550 großzügig bedacht.

Götz ist ein Haudegen voll christlicher Demut. Als Zeitgenosse Martin Luthers und seinen Reformen aufgeschlossen, tritt er bereits 1521 zum protestantischen Glauben über, – und mit ihm das ganze Gefolge seines Herrschaftsgebietes.

Götz hinterlässt sein Leben der Nachwelt!

Er war ein Ritter, ein Strauchritter, Raufbold, Hauptmann wider Willen und ein Ehrenmann. Als er am 23. Juli 1562 um 18 Uhr im Alter von 82 Jahren auf seiner Burg Hornberg stirbt, verlässt eine schillernde Figur die Weltbühne. Mit ihm neigt sich die Epoche der Ritter dem Ende, das Mittelalter an der Schwelle zur Frühen Neuzeit!
Im hohen Alter, mit 79 Jahren und erstaunlich gutem Gedächtnis, aber nahezu erblindet, diktiert Götz seinem Neckarzimmerner Patronatspfarrer Georg Gottfried seine Lebensgeschichte.

„Am Ende seiner Tage war er bestrebt, sich zu rechtfertigen, allerdings nicht so sehr wegen der kleinen oder großen Fehden (…). Vielmehr plagte ihn noch im hohen Alter die Verstrickung in den Bauernkrieg, mit der er sich zwischen die Stühle gesetzt hatte.“, schreibt der Historiker, Professor Kurt Andermann.

Von seiner Lebensbeschreibung gibt es zunächst 18 Abschriften. Die 1731 gedruckte Erstausgabe der Autobiografie inspiriert Johann Wolfgang von Goethe in seiner Sturm- und Drangzeit zu einem Schauspiel, das Weltruhm erlangt und Götz von Berlichingen unsterblich macht!

Altersweise geworden, sind die letzten Zeilen in Götzens Lebensgeschichte sinngemäß diese: (…), dass alles menschliche Urteil vergänglich ist und die letzte Instanz, vor der man sich zu verantworten hat, in einer anderen Welt liegt!

Obwohl er 1521 protestantisch geworden ist, findet Götz von Berlichingen, der Ritter mit der eisernen Hand, im katholischen Kloster Schöntal neben seinen Vorfahren die letzte Ruhestätte.

Quellen:
30 Jahre Geschichtsverein Leinfelden-Echterdingen, Band 3, Beiträge 2006-2015; S. 93 ff, Prof. Kurt Andermann, Beitrag Götz von Berlichingen
Nicolai Knauer, Burgenführer Burg Hornberg
Burg Hornberg, Rüstzeugschau 1980, G.H. Bidermann, Journal-Verlag Schwend GmbH, 1. Auflage, 1980
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